Herrn Reinhard Pohl
Gesellschaft für politische Bildung e.V.
Schweffelstr. 6
24118 Kiel
Vorab per mail: reinhard.pohl@gegenwind.info
Nachrichtlich:
• Dr. rer. pol. h.c. Frank-J. Weise, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, info@bamf.bund.de
• Staatsministerin Aydan Özoğuz, Beauftragte für Migration, Flüchtlinge u. Integration, integrationsbeauftragte@bk.bund.de
Berlin, den 17.11.2015
Dringender Appell zur Nachbesserung des Orientierungskurses für Asylbewerber unter Einbeziehung des Themas „Antisemitismus“
Sehr geehrter Herr Pohl, wir wenden uns an sie als Verantwortlicher für die Inhalte des Orientierungskurses, der von der Zentralen Bildungsstätte für Migrantinnen und Migranten herausgegeben wird1.
Dieser Tage kommen sehr viele Flüchtlinge aus Krisengebieten in unser Land und diese große Herausforderung für die ganze Gesellschaft führt momentan zu Verunsicherungen und Ängsten in der Bevölkerung. Diese Ängste sind nicht unbegründet, wenn man sich verdeutlicht, dass die hier ankommenden Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten kulturell, religiös und politisch völlig anders sozialisiert sind und somit bestehende Ordnungen verändern können, wenn dem nicht rechtzeitig begegnet wird.
Das Asylverfahren, das die Integration der neuen Mitbürger in unsere Gesellschaft vorsieht, beinhaltet daher innerhalb des „Integrationskurses“ den sogenannten „Orientierungskurs“, in dem die politischen und gesellschaftlichen Grundlagen unseres Zusammenlebens erklärt und die Eckpfeiler unseres Zusammenlebens dargstellt werden. Aus eigener Erfahrung – da eines unserer itglieder und Unterzeichnerin dieses Briefes diesen Kurs aktuell unterrichtet – haben wir jetzt mit großer Besorgnis festgestellt, dass zwar zentrale Grundwerte unserer Verfassung, wie Toleranz gegenüber anderen Meinungen und die Gleichstellung der Frau in diesem Kurs vermittelt werden, die Ächtung von Antisemitismus und einseitiger Dämonisierung Israels jedoch an keiner Stelle dieses 60-stündigen Kurses auftauchen.
SPME-Germany e.V. kümmert sich seit Jahren darum, dass ein faires Bild von Israel in der deutschen Öffentlichkeit übermittelt wird und tritt entschieden gegen die gerade jetzt wieder stark ansteigenden öffentlichen Aufrufe zum Hass gegen Juden und Israel ein. Dass kürzlich gerade die umstrittene Kennzeichnungspflicht israelischer Waren von der EU beschlossen wurde, stellt unserer Ansicht nach Israel erneut unberechtigt an den Pranger, das momentan gerade wieder eine unvergleichliche Welle von terroristischen Messerattacken durchleben muss.
Während viele der jetzt aktuell geschürten Ängste gegen die Aufnahme von notleidenden Flüchtlingen unberechtigt sind und von der politischen Rechten plump missbraucht werden, bitten wir zu bedenken, dass besonders bei Flüchtlingen aus dem Nahen Osten unter diktatorisch-islamischen Regimes eine grotesk einseitig anti-israelische Indoktrination stattgefunden hat. Es gibt bereits Beispiele von Familien, die nach unsäglichem in der „islamischen Welt“ erlittenem Leid, nach Deutschland kommen und auf die Frage, wer ihr größter Feind sei, antworten: „Israel“. Somit ist zu erwarten, dass, wenn hier nicht rechtzeitig massiv gegengesteuert wird, durch die Neuankömmlinge weiterer Hass gegen Israel und die Juden in unserer Gesellschaft geschürt und möglicherweise öffentlich propagiert wird. Dies ist aus unserer Sicht völlig inakzeptabel und es muss z.B. in dem Orientierungskurs des Integrationskurses darauf hingewiesen werden, dass jegliche Form von Judenhass, sei es in der Form von offenem Antisemitismus oder in Form einer antisemitisch konnotierten Kritik des Staates Israels in Deutschland nicht zu tolerieren ist. Unserer Meinung nach muss klargemacht werden, dass Antisemitismus bei uns keinen Platz hat und dass diese Einstellungen revidiert und abgelegt werden müssen. Dieses Thema muss auch gerade im Integrationskurs offiziell und öffentlich behandelt werden, da es nicht Privatsache ist und auch nicht in Parallelgesellschaften ausgelebt werden darf.
Neben der Achtung der Gleichstellung von Mann und Frau, der Freiheit in der Wahl von Religion, sexueller Ausrichtung und Meinung muss aus unserer Sicht die Ächtung von Intoleranz gegenüber Andereren unter besonderer Betonung der Ächtung des Antisemitismus in jeder Form Inhalt dieses Kurses und evtl. auch weitergehender Fortbildungen sein. Die neu ankommenden Flüchtlinge müssen wissen, dass sie Antisemitismus und Israelhass reflektieren und umgehend ablegen müssen wenn sie Deutschland als Aufnahmeland gewählt haben.
Gerade im Hinblick auf aktuell ansteigende Tendenzen, latenten Antisemitismus als Israel-Kritik zu tarnen und insgesamt Israel aufgrund politischer Entscheidungen in völlig unzulässiger Form für weltpolitische Konflikte verantwortlich zu machen, wäre es unerträglich wenn auf unseren Straßen der Israelhass weiter ansteigt und Deutschland seine besondere Verantwortung für Israel somit vernachlässigen würde. Wenn für die aktuellen Vertreibungen, die durch grausame Islamisten, die gerade wieder in Paris grauenvolle Massaker begingen, und Diktatoren hervorgerufen wurden, hier indirekt oder direkt Israel die Schuld gegeben wird, ist dies eine völlig absurde Verdrehung der Tatsachen, die letztlich der schlimmen Propaganda, die vor nicht zu langer Zeit aus unserem Land kam, dass „die Juden an allem Schuld seien“, ähnelt. Dem muss auch von offizieller Seite entgegengetreten werden und dass dieser ganze Themenkomplex im Integrationskurs schlichtweg nicht vorkommt, ist gerade bei der momentan großen Zahl von Flüchtlingen aus der Nahostregion aus unserer Sicht völlig unverständlich.
Wir bieten daher an, umgehend eine Lehreinheit zum Thema Antisemitismus unter Einbeziehung der geschichtlichen Fakten zur Staatsgründung Israels und der Beziehungen zwischen Deutschland und Israel für den Orientierungskurs vorzubereiten. Dies könnte in enger Kooperation mit der mit uns befreundeten Organisation „Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB) und dem durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderte Projekt „MFFB – Bildungsbausteine: Demokratie stärken – Antisemitismus bekämpfen“ realisiert werden2.
Da die Zeit in dieser Sache bekanntlich drängt, bitten wir um eine schnelle Antwort und stehen für Rückfragen immer zur Verfügung.
Mit freundlichem Gruß,
für den Vorstand von SPME-Germany e.V.:
Prof. Dr. R. R. Schumann, Hochschullehrer, Berlin C. Behrens, Integrationslehrerin, Niedersachsen
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- Mein Orientierungskurs, Magazin Verlag, Schweffelstr. 6, 24118 Kiel, www.orientierungskurs.de
- https://www.demokratie-leben.de/programmpartner/modellprojekte/modellprojekte-zu-ausgewaehlten-phaenomenen-gruppenbezogenermenschenfeindlichkeit-und-zur-demokratiestaerkung-im-laendlichen-raum/mffb-bildungsbausteine-demokratie-staerken-antisemitismusbekaempfen.html
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